Spaniens Folterpraxis vor der UNO
<< zurück
Interview mit Iņigo Elkoro, Sprecher und Anwalt vom
baskischen Antifolterkomitee TAT (Torturaren Aurkako Taldea)
Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
Spanien verurteilt, weil es Folteranzeigen von 15 Katalanen aus dem Jahr
1992 nicht einmal untersucht hat. Was bedeutet das?
Das ist sehr wichtig. Wir haben immer gesagt: eine Basis für die Fortdauer
der Folter im spanischen Staat ist, dass nicht gegen die Folterer ermittelt
wird. Das wurde jetzt durch Straßburg bestätigt. Es gibt uns weitere
Möglichkeiten dagegen vorzugehen und einige Fälle von uns sind ohnehin in
Straßburg anhängig.
Erst letzte Woche hat der Sonderberichterstatter der UNO für Folter Theo van
Boven vor der UNO - Vollversammlung seinen Bericht vorgestellt. Er erklärte:
"Gefoltert wird an vielen Orten, auch in Europa, wenn es um Fragen der
Selbstbestimmung geht wie der Basken in Spanien und der Kurden in der Türkei
". Wie bewertet TAT diese Vorwürfe?
Das war ein schwerer Schlag für den spanischen Staat, dass die Anklagen
wegen Folter nun auch in der UNO-Vollversammlung behandelt werden. Der
Bericht drückt die extreme Besorgnis aus, die der spanische Staat mit seinen
Aktivitäten hervorruft und fordert zu Handlungen auf. Er basiert auf einem
persönlichen Besuch Bovens, wo er hier mit Folteropfern und den zuständigen
Behörden gesprochen hat. Für uns ist es sehr wichtig, dass die höchste
Autorität in der UNO für Folter den spanischen Staat angreift.
Er sagte: "Folter und Misshandlungen sind keine systematische Praxis in
Spanien", fügte aber an, "mehr als sporadisch wird auf Praktiken wie Folter,
Misshandlungen, grausame oder unmenschliche Behandlung zurückgegriffen". Wie
bewertet TAT die Lage?
Unserer Meinung nach wird die Folter systematisch verwendet. Dabei geht es
uns nicht so sehr um die Zahl der Fälle, wo es im Baskenland viele gibt. Es
geht um das System, das um den Nationalen Gerichtshof herum besteht und eine
straffreie Folter erlaubt. Da ist die Kontaktsperre, wenn ein Verhafteter
nach dem Anti-Terror Gesetz tagelang keinen Kontakt zu seinem Anwalt, Arzt
oder Familie hat. Wenn man bedenkt, in welchem diplomatischen Rahmen van
Boven sich bewegt, ist es enorm, wenn er fast von systematischer Folter
spricht.
Was bedeuten die Reaktionen des spanischen UNO-Botschafters, der den Bericht
als "falsch, inakzeptabel und ungerecht" abwertet?
Das ist normal. Vorwürfe gegen Verletzungen der Menschenrechte negieren sie
stets. Nicht einmal die diplomatischen Formen werden dann gewahrt. Dabei ist
Boven auf Einladung der spanischen Regierung gekommen und nun akzeptieren
sie seine Ergebnisse nicht.
Gibt es Veränderungen seit dem Regierungswechsel im März zu den Sozialisten?
Nein, absolut nicht. Die Sozialisten hatten vor der Machtübernahme der
Volkspartei 1996 die Folter abgestritten und machen das heute wieder. Zu
erinnern sei an die Todesschwadron GAL, die es in den 80er Jahren unter den
Sozialisten gab. Es gibt einen roten Faden in deren Handlungen und es
scheint, daran wird sich auch nichts ändern.
Artikuliert sich das auch praktisch?
Es gibt bei allen Verhaftungen der letzten Zeit Folteranzeigen. Eine Person
musste mit dem Krankenwagen nach der Kontaktsperre zum Gericht gebracht
werden, eine andere hat einen Selbstmordversuch begangen, um der Folter zu
entgehen. Gerade befinden sich sieben Basken nach Verhaftungen am Dienstag
in der Kontaktsperre, die auf Grund von Aussagen verhaftet wurden die andere
davor unter Folter gemacht haben. Wir befürchten schlimmes.
Hat sich am Umgang mit den Folterern etwas geändert?
Auch nicht. Die Regierung der Volkspartei hat in ihrer Regierungszeit 14
verurteilte Folterer begnadigt. Einer der ersten Akte der Sozialisten war,
den General der Guardia Civil Enrique Rodríguez Galindo nach ein paar Jahren
aus dem Gefängnis zu holen, der wegen Folter und Mord an zwei Basken
verurteilt wurde.
Was ist wichtig, um die Folter zu beseitigen?
Zunächst muss das System der Kontaktsperre abgeschafft werden, weil es
garantiert, dass in den Kerkern alles gemacht werden kann und es später kaum
zu beweisen ist. Wenn dieses System beseitig ist, gibt es viel mehr
Kontrollmöglichkeiten. Es gibt aber noch andere Elemente: Eine wirkliche,
unabhängige und objektive Untersuchung der Folteranzeigen und die
Abschaffung der faktischen Straflosigkeit der Folterer. Natürlich sind hier
auch die Kommunikationsmedien zu nennen, die oft die Folteranzeigen
verschweigen.
Š Ralf Streck Hernani, den 03.11.2004
<< zurück
|