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Der Europäische Haftbefehl

von Wolfgang Kaleck

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Wolfgang Kaleck ist Generalsekretär der Europäischen Demokratischen Anwälte (EDA) und Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV).

Ausweitung der Kompetenzen für die Strafverfolger

Europa konstituiert sich mehr und mehr als einheitlicher kriminalgeographischer Raum. Dies bedeutet im Moment eine ständig zunehmende grenzüberschreitende Strafverfolgung und Ausweitung der Kompetenzen für die Strafverfolger ohne Ausgleich auf der Ebene des Rechtsschutzes und der Verfahrensrechte. Die Dominanz der Exekutive innerhalb der Politik der "Dritten Säule" scheint zur Dominanz der nationalen und europäischen Strafverfolgungsbehörden in grenzüberschreitenden Strafverfahren zu werden. Dadurch drohen die Architektur des Strafverfahrens als fairer Prozess und die rechtsstaatliche Gesamtbalance zerstört zu werden.

Fehlende europäische demokratische Öffentlichkeit
Innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten der EU gibt es eine Öffentlichkeit, garantieren eine organisierte Strafverteidigerschaft und jahrzehntelange Auseinandersetzungen in Strafverfahren zwischen Verteidigung, Richtern und Staatsanwälten dafür, dass ein Angeklagter im Verfahren wenigstens eine Chance hat. Auf europäischer Ebene fehlen jedoch die Akteure, die sich für die Grundprinzipien des Strafprozesses und die Rechte der Beschuldigten und Verteidigung einsetzen: Eine europäische demokratische Öffentlichkeit gibt es nicht, wenige Anwalts- oder Bürgerrechtsorganisationen agieren auf europäischer Ebene, noch weniger verfügen über eine Vertretung in Brüssel, die Strafverteidigung taucht weder als Verfassungs- und Verfahrensprinzip in den Entwürfen der EU-Verfassung auf, noch spielt sie eine Rolle bei der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat; schon gar nicht werden Strafverteidiger von den europäischen Institutionen an den anstehenden grundlegenden Änderungen gebührend beteiligt.

Der Europäische Haftbefehl
Und nun der Europäische Haftbefehl. Am Anfang steht ein Etikettenschwindel: Der europäische Haftbefehl (EHB) ist eine der Maßnahmen auf EU-Ebene zur Terrorismus-bekämpfung nach dem 11. September 2001. Die juristisch unscharfe Kategorie "Terrorismus" ist zwar eine der 32 Katalogstraftaten, für die zukünftig der EHB an Stelle der herkömmlichen Auslieferungsverfahren tritt. Der große Teil dieser 32 Straftaten des Kataloges gehört zur mittleren bis schweren Alltagskriminalität und hat in der Regel mit Terrorismus, wie man diesen auch immer definiert, nichts zu tun. Der EHB soll - so der Rahmenbeschluss der Europäschen Union - "die erste konkrete Verwirklichung des vom europäischen Rat als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit qualifizierten Prinzips der gegenseitigen Anerkennung" darstellen. Anstelle eines formal und zeitlich aufwändigen Auslieferungs-verfahrens soll ein schnelles, auf Formularen basierendes, Verfahren ohne größere inhaltliche Überprüfungsmöglichkeiten treten. Der Richter in Berlin müsste danach den Haftbefehl des Kollegen aus Palermo oder Thessaloniki vollstrecken - und umgekehrt, auch wenn nach bundesdeutscher Praxis ein Inhaftierter wegen eines derartigen Vorwurfes nicht in Untersuchungshaft geraten würde.

In den meisten EU-Staaten ist der EHB bereits Alltagspraxis. In Deutschland steht das Umsetzungsgesetz kurz vor der Verabschiedung.

Sicherheit ist aber nur durch Wahrung der Menschen- und Freiheitsrechte gewährleistet. Die Grundrechte und die Prinzipien des fairen Verfahrens sind in der entstehenden europäischen Rechtsordnung zu verankern. Die Schaffung weiterer Kompetenzen für die europäischen Strafverfolgungsbehörden und die Entstehung weiterer Behörden muss mit dem gleichzeitigen Auf- und Ausbau von Rechtsschutzmöglichkeiten und Verfahrensrechten einhergehen, um die rechtsstaatliche Gesamtbalance wiederherzustellen. Sonst drohen die Grundrechte zum Spielball von EU-Strafverfolgungsbehörden zu werden.

7. Juni 2004
 

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